Handaufzucht

Wenn eine Mäusemutter während der Jungtieraufzucht stirbt und keine Amme die weitere Betreuung übernehmen kann, bleibt nur noch die Handaufzucht.

 

Eine Bitte vorab

Denken Sie intensiv darüber nach, ob Sie diese Aufgabe bewältigen können. Es geht dabei um Lebewesen, die durch eine klitzekleine Nachlässigkeit häufig sterben. Eine Mahlzeit verschlafen und das Jungtier stirbt. Handaufzuchten gehören in erfahrene Hände! Bitte wenden Sie sich an Anlaufstellen, die es gelernt haben und nicht an Personen, die meinen es versuchen zu wollen. Es sind kleine Herzen die aufhören zu schlagen, wenn wir Menschen nicht gut für sie sorgen.

 

Das richtige Rezept: (1 Teil Aufzuchtmilchpulver, 2 Teile Wasser)

1 Teelöffel Royal Canin Katzenaufzuchtsmilchpulver für 0 - 2 Monate alte Kitten (KEINE Milch für ausgewachsene Katzen!)

2 Teelöffel warmes Wasser

 

Bei Verdauungsproblemen:

1 Tropfen Sab Simplex pro Spritze hilft gegen Blähungen

Fencheltee statt Wasser verwenden. (Achtung vor Futterverweigerung, wegen Geschmacksveränderung.)

 

Wenn eine Maus Durchfall hat, bitte keine abrupte Futterumstellung machen. Der Darm muss sich dem neuen Futter komplett anpassen, was alles nur noch schlimmer macht, denn der Darm kann sich so noch schlechter beruhigen. (Ausnahme, wenn das Jungtiere vorher mit vollkommen ungeeigneter Nahrungszufuhr versorgt wurde.)

Wenn eine Maus Durchfall hat, bedeutet das viel Flüssigkeitsverlust. Deswegen braucht sie mehr Mahlzeiten, um den Verlust auszugleichen.

 

Verdauung anregen

Nach jeder Mahlzeit muss dem Baby der Bauch und Genitalbereich in kreisenden Bewegungen massiert werden, damit es Kot und Urin absetzen kann. Die Mutter würde ihrem Jungtier den Bauch lecken, um die Verdauung in Gang zu bringen. Wenn man das vergisst, kann das Baby keinen Kot und Urin absetzen und es kann zu Verstopfung und Blähungen kommen.

 

Unterbringung

Die Unterbringung während der Aufzucht muss so konzipiert sein, dass es nicht zu groß ist, sich die Wärme halten kann, aber auch eine Stelle ohne Wärmequelle frei bleibt. Gleichzeitig muss es hoch genug sein, dass die Jungtiere nicht "abhanden" kommen können. Ich persönlich nutze 2 IKEA Samla in den 2 kleinsten Größen, die ich ineinander stelle. Siehe Bild.

Zur Polsterung nutze ich normale Einstreu oder SafeBed.

 

Bitte keine Watte/Hamsterwatte verwenden. Diese ist nicht nur für ausgewachsene Nager gefährlich und deshalb als tierschutzwidrig eingestuft, sondern such für Babys lebensbedrohlich, da sie sich darin Kopf und Gliedmaßen abschnüren und abreißen können.

Hygiene und Immunsystem

Babys haben ein sehr schwaches Immunsystem. Die erste Muttermilch enthält Abwehrkörper von der Mutter, aber diese reichen bei weitem noch nicht aus. Wenn die Jungtiere diese bekommen haben, haben sie bessere Chancen.

Bei allen Schritten ist höchster Hygiene - Standard einzuhalten. Das bedeutet: Einweghandschuhe, Mundschutz und stets Einwegtücher als Unterlage für Materialien und zu jeder Möglichkeit bei der die Keime zu hoch werden, wird es gegen neues Material gewechselt.

Nahrungszufuhr

Wie bekommt man die Milch in so ein kleines Mäulchen? Dafür gibt es verschiedene Wege. Man nehme eine 1 ml Einweg - Spritze und setze darauf den Anschluss einer Butterfly Kanüle. Der Schlauch der Butterfly Kanüle wird kurz hinter dem Anschluss durchgeschnitten. Der Schlauch ist so schmal, dass er gut ins Maul passt und die Tropfen so klein dosiert werden können, dass sich das Jungtier nicht verschluckt.

 

Alternative: Wenn man gerade kein Equipment da hat, lässt sich ein feiner Pinsel in die Milch tauchen und das Jungtier kann daran nuckeln, um die Milch aufzunehmen - aber Achtung vor dem Klebstoff, vom Pinsel! Bitte nur verträgliche Pinsel nutzen, ansonsten erleidet das Jungtier eine Vergiftung! 

 

Position des Jungtiers

Das Jungtier darf sich nicht verschlucken. Deshalb muss es aufrecht in der Hand gehalten werden, damit es die Milch richtig abschlucken kann und es nicht in die Atemwege gelangt.  (siehe Bilder oben). Flüssigkeit in den Atemwegen führt häufig zu einer Lungenentzündung und das ist ein Todesurteil.

 

Temperatur / Wärme

Das aller wichtigste bei der Aufzucht - noch viel wichtiger, als Nahrung - ist die Wärme.

Jungtiere können ihre Körpertemperatur nicht selbst halten, weshalb das Nest dauerhaft von der Familie auf Temperatur gehalten wird. Deshalb muss die Milch auch immer lauwarm sein. Mit einem Flaschenwärmer für menschliche Babys, lässt sich die Temperatur der Milch gut halten.

Bei Unterkühlung wird der Kreislauf schwach und es kann zum Schock kommen. (***Aufwärmen

Zum Warmhalten eignet sich eine Wärmedecke oder SnuggleSafe, um die Wärme dauerhaft schonend abzugeben. Wer dies nicht nutzen kann, weil z.B. die Mikrowelle fehlt, erzielt mit einer Wärmflasche oder Körnerkissen ebenfalls eine gute Temperatur. Jedoch muss dann öfter die Wärme kontrolliert werden, da diese die Wärme schneller verlieren. Bitte nutzen Sie keine Wärmelampe, da diese die Jungtiere austrocknet.

*** Aufwärmen: Sollte ein Jungtier unterkühlt sein, darf es auf gar keinen Fall zu schnell aufwärmen, da dies zu einer Blutvergiftung (Sepsis) führen kann. Schön langsam im 0,5 °C Schritten. Dabei gilt die Regel: So schnell wie möglich, aber so langsam wie nötig. 

 

Dehydration

Eine Dehydration bedeutet ein Wassermangel im Körper. Dies kann ganz einfach überprüft werden, indem man ein Stück Haut vorsichtig hoch zieht, sodass sich eine Falte bildet. Diese Falte sollte sich innerhalb von 2-3 Sekunden zurück in die normalen Form ziehen. Bleibt sie allerdings länger stehen oder sich gar nicht zurück bilden, ist das Tier dehydriert und benötigt dringend Flüssigkeit. Ab zum Tierarzt!

 

Die Fütterungszeiten

 Die ersten 17 Tage sollte alle 30 min gefüttert werden. Die maximale Pause darf 2 Stunden nicht überschreiten - auch nicht nachts! Jede Mahlzeit und das dazugehörige Equipment müssen frisch zubereitet sein, damit sich keine Bakterien ansammeln. Das Immunsystem der Jungtiere ist noch nicht ausgebildet, sodass sie schnell krank werden.

Bei den ersten Fütterungen kann man glücklich sein, wenn das Baby einen Tropfen aufnimmt. 0,1-0,3 ml sind gute Mahlzeiten.

Rennmäuse können nicht erbrechen, weshalb lieber viele kleine Mahlzeiten, anstatt einer großen gegeben werden sollte. Für Handaufzuchten braucht man ein gutes Bauchgefühl, um ein Gespür dafür zu entwickeln, was das Baby zum jetzigen Zeitpunkt braucht. Dazu möchte ich erwähnen: Jedes Baby ist anders und hat andere Ansprüche und einen anderen Geschmack.

Wie oft und wie lange sie trinken wollen, muss man selbst herausfinden. Wenn sie nur wenig trinken, sollte die Anzahl der Mahlzeiten erhöht werden, um einer Dehydration vorzubeugen. Ab dem zweiten Tag sollte es zu einer Besserung kommen.

 

Ab dem Augen öffnen (Tag 17+) kann man Kleinsaaten und Haferflocken anbieten, damit die Babys schon mal ein wenig daran herum knabbern können. Wasser sollte jedoch erst später angeboten werden, da ihre Feinmotorik noch nicht gut ausgeprägt ist und sie in das Gefäß hinein fallen können. Wenn sie nass sind, droht eine Unterkühlung.

Man kann jetzt alle 3 Stunden Milch füttern, darf den Rhythmus aber nicht abrupt verändern, sondern muss darauf achten, welche Bedürfnisse die Jungtiere anzeigen. Wenn sie weiterhin alle 1-2 Stunden gefüttert werden möchten, sollte man auch bei 1-2 Stunden bleiben.

 

Nach 4 Wochen kann man eine nächtliche Pause von 6 Stunden einlegen - vorausgesetzt, die Jungtiere halten dies durch. Es gilt also die selbe Regel wie eben - die Mäuse geben den Rhythmus an. Jetzt fängt die Zeit der Futterumstellung an. Die Jungtiere werden langsam entwöhnt und auf festes Futter umgestellt. Dabei muss man sehr langsam vorgehen. 

Um den Start der Entwöhnung zu erleichtern,  werden anfangs aufgeweichte Schmelzflocken unter die Milch gegeben. Damit bekommt die Verdauung schon mal einen "Vorgeschmack". Gleichzeitig wird ein kleiner Napf mit Kleinsaaten aufgestellt.

Die Milchmahlzeiten werden nun immer weniger, damit sich die Jungtiere selbstständig am festen Futter bedienen, um den Hunger zu stillen. Sie werden dies instinktiv selbst tun. Dies sollte ebenfalls schonend und nicht abrupt geschehen.

 

Ab der 7. Woche sind die Jungtiere in der Familie abgestillt. Dies sollte auch in der Handaufzucht der Fall sein.

 

Der Alltag während einer Handaufzucht

Eine Handaufzucht zu übernehmen erscheint im ersten Moment reizvoll. Die niedlichen Babys so nah bei sich zu haben und bei der Entwicklung beobachten zu können. Doch was steckt wirklich dahinter? Ich möchte hier den Alltag kurz darstellen, der zeigen soll, wie zeit intensiv eine Handaufzucht ist.

 

Die Voraussetzungen für folgendes Beispiel:

- Flexible Arbeitszeiten

- Handaufzucht in der 2.-3. Woche (davor tut man nichts anderes außer zu füttern)

- Wurfstärke von ca. 4 Jungtieren

- Fütterung in der selben Reihenfolge der Jungtiere

 

Alle Materialien für die Nacht sind sehr gut vorbereitet und vorhanden. Ansonsten muss die Vorbereitungszeit mitberechnet werden.

00:00 Uhr bis 1:30 Uhr Wärme kontrollieren, Jungtiere füttern und Bauch massieren

1:30 Uhr bis 3:00 Uhr schlafen

3:00 Uhr bis 4:30 Uhr Wärme kontrollieren, Jungtiere füttern und Bauch massieren

4:30 Uhr bis 6:00 Uhr schlafen

6:00 Uhr bis 6:30 Uhr Aufräumen, Materialien säubern, neue Materialien für den Tag vorbereiten.

6:30 Uhr bis 8:30 Uhr Jungtiere füttern und Bauch massieren. Mehr Zeit berechnen, zur intensiveren Betreuung, um eventuelle Unachtsamkeit von der Nacht nachzuholen.

8:30 Uhr bis 9:00 Uhr selbst frühstücken, Hygiene betreiben, Vorbereitung vom eigenen Tag

9:00 Uhr bis 10:30 Uhr Wärme kontrollieren, Jungtiere füttern und Bauch massieren

10:30 Uhr bis 12:00 Uhr Arbeitszeit (oder schlafen)

12:00 Uhr bis 13:30 Uhr Wärme kontrollieren, Jungtiere füttern und Bauch massieren

13:30 Uhr bis 15:00 Uhr Arbeitszeit (oder schlafen)

15:00 Uhr bis 16:30 Uhr Wärme kontrollieren, Jungtiere füttern und Bauch massieren

16:30 Uhr bis 18:00 Uhr Arbeitszeit (oder schlafen)

18:00 Uhr bis 19:30 Uhr Wärme kontrollieren, Jungtiere füttern und Bauch massieren

19:30 Uhr bis 21 Uhr Zeit selbst etwas zu Essen

21:00 Uhr bis 22:30 Uhr Wärme kontrollieren, Jungtiere füttern und Bauch massieren. Mehr Zeit berechnen, zur intensiveren Betreuung, um die Nacht vorzubeugen. 

22:30 Uhr bis 23:30  Aufräumen, Materialien säubern, neue Materialien für die Nacht vorbereiten.

23:30 Uhr bis 00:00 Uhr etwas zur Ruhe kommen, bevor der Zeitplan von neuem beginnt.

 

Quellen:

Erfahrungen von mir und anderen Personen die erfolgreich per Hand aufgezogen haben. Ein besonderes Dankeschön geht an Kerstin  Werner, die ebenfalls  Rennmäuse erfolgreich aufgezogen hat und mit der ich mich  zu diesem Thema immer wieder austausche. Außerdem ein Dankeschön an Hasen Alex, für einen tollen Austausch von Informationen.